story

Intelligent ist es, seine Alltagswelt so komplex zu gestalten, dass einem die nie zu langweilig wird. Sagt man. Gibt aber auch bessere Aussagen. Und was macht man da ?
Sich bilden, um etwas über die Welt und Andere zu erfahren, hab ich schon, wenigstens ansatzweise. Ne Frau suchen ? Hab ich auch schon, während der Pupertät und zeitweise auch später recht ausführlich. Hat oft nichts geholfen, zum Schluss dann aber doch zu einem akzeptablen Ergebnis geführt. Kind zeugen ? Auch schon erledigt, dass beschäftigt einen richtig, nicht die Zeugung an sich, die ging ja ohne das Gehirn einzuschalten recht zügig, aber danach.

Also ? Wie nun seine Lebenszeit verplempern ? Richtig. Wir bauen ein Haus !

Das fing mit einer Idee an, sollte Wände haben und ein Dach, die Entscheidung war noch recht leicht. Das hat eine afrikanische Lehmhütte nämlich auch, also musste es schon etwas mehr sein. Zum Beispiel unsere multiplen Persönlichkeiten ausdrücken, zum Umfeld passen, dem Auge gefallen (bin allerdings kurzsichtig). Also braucht man Hilfe, jemand muss einem sagen, wie man das macht, selber Bauen hätte in unserem Fall die vorgenannten Vorgaben eher unbefriedigend erfüllt. Da bieten sich Architekten an. Die müssten das eigentlich können, die können planen und Pläne auch sofort wieder verwerfen, die können besser weghören, als manche Männer Ihren Frauen und planen und realisieren dann ein Haus was Ihnen gefällt. Kein Wunder, müssen ja auch nicht drin wohnen.

Der Architekt war schnell gefunden, schliesslich lebe ich im Osten, und da war schon seit 40 Jahren die Grundeinstellung, dass man viele Leute einfach kennen muss, um zu überleben, recht angebracht. Und der präsentiert auch sofort einen Entwurf, warum dann aber mein gewünschter runder Turm mit Erker und runder Badewanne keine Berücksichtigung fand, weiss ich nicht mehr so genau. Der Architekt sagte, dass passe nicht so gut zu dem von Ihm ausschliesslich umgesetzten Bauhaussstil. Dumm nur, dass man in seinem ersten Entwurf auch nicht normal leben konnte, weil man zum Klo 100 Meter hätte laufen müssen und das Kinderzimmer direkt neben Büro nicht zum entspannten Arbeiten führt. Nach dem dritten Entwurf passte aber auch das.

Ach, vorher muss man natürlich ein Grundstück suchen, schliesslich kann man ein Haus nicht auf Luft bauen (sog. Luftschlösser gibt es ja nur im Märchen). Und da hört man wieder auf seine Frau, praktische Lage zwischen Eltern und Freundin der Frau muss schon sein, bin ja flexibel. Und gefunden haben wir es dann auch, war das letzt Mögliche am Platz. Danach ist Schluss, der Rest des Ortes ist zwischen Wasser- und Naturschutzgebiet eingezwängt. Ab zum Hehler (äh, Makler).
Hm, will 175 TEUR haben, die Besichtung mit dem Hilfsarbeiter des Maklers läuft gut, dann die Verhandlung. Ich fange professionell an zu nölen, keine echten Strassen, Beleuchtung ist schlecht, da bauen Leute auf meinem Gelände (dazu später mehr), zu viele Bäume und der grosse Garten ist eher eine Last. Und der Chefmakler grinst dabei nur. Also moser ich noch weiter, damit dem das Lachen vergeht, vergeht aber nicht. Ich sage: 150 TEUR ist das Maximum. Der Hiwi bricht zusammen und stammelt ganz leise was von "Gott, da verdienen wir ja nix mehr", also kurz die üblichen Prozente überschlagen und ich mach ein Angebot, aber nicht für den Grundstückspreis, sondern: "Tja, man könnte ja Ihre Provision unabhängig von Grundstückspreis halten, z.B. 10 TEUR ?".
Und da kommt Leben in den Chefmakler, wirklich. Er sagt mal was, statt nur zu grinsen und da weiss ich, dass ich ihn habe. Er antwortet, dass sein Kunde sowieso nur 140 TEUR will, er geht dann mal mit 135 TEU in die Verhandlungen, heh, der Mann ist mein Freund, warum auf einmal nur ? 2 Tage später ruft er an und muss mich entäuschen, der Eigentümer hat ihn hochgehandelt und will 140 TEUR haben. Ein Grinsen macht sich breit ...

Dann wieder zum Architekten, der muss das Haus ja jetzt noch auf die richtigen Masse des Grundstücks zuschneiden, dabei fallen dann die ersten Sachen locker unter den Tisch und plötzlich sind 3600 m2 viel zu eng. Doch auch die Hürde ist nehmbar und schon ist das Haus fertig, auf dem Papier wenigstens. Und das geht in 17facher Auführung zum Bauamt. Währenddessen die Finanzierung sichern, zu einem Zeitpunkt mit Zinsloch weniger ein Problem, aber selbstständig zu sein ist in der Bankenbranche eher eine Strafe, lieber arbeitslos, da kriegt man einfacher Geld, weil der Staat das dann schon alles bezahlt. Also braucht man eine sog. 100%ige Deckung und das ist schon recht schwer, denn wofür brauche ich eine Bank, wenn ich das Geld zu 100% hätte ?
Nene, der Gegenwert muss nur zu 100% dasein, aha, naja ich will das Geld in Haus und Grundstück stecken, das gehört dann ja der Bank, reicht aber nicht, Eigenanteil muss auch sein, hab ich aber (übrigens würden Eigenleistungen den Eigenanteil erhöhen, wobei ich nicht verstehe, wie eine von Unprofis ausgeführte Bauleistungen den Wert eines Hauses steigern kann, obwohl: wenn ich mir manche Handwerker so angucke, macht das nun auch wieder Sinn). Also tricksen, die Deckung reicht ja noch nicht. Die Baubehörde dazu verleiten, den hinteren Teil als Bauland zu deklarieren (vorbehaltlich eines Bauantrags versteht sich, also haben die sich eigentlich nur zu einer Nullaussage hinreissen lassen) und, schwups, ist das Grundstück doppelt so viel Wert wie vorher und der Finanzierer rechnet anders und es passt.

Wir schreiben Januar 2006 und es kann endlich losgehen, der Architekt beginnt die Ausschreibung, die soll natürlich im Winter sein, da sind die Auftragsbücher der ausführenden Firmen leer und das wird mir viel Geld sparen, dumm nur, dass der Winter schon vorbei ist, weil uns das Baumamt 4 Monate warten lässt. Wir telefonieren wie wild und bekommen raus, dass das nicht normal ist und unser Antrag abgelehnt werden soll. Was ? schreit der Architekt. Ist nach allen Regeln der Kunst geplant und ist ihm noch nie passiert. Wir also mit Schlachtplan und Pappmodell vom Haus zum Bauamt und wollen den in Grund und Boden (passt ja) reden, dass die Hütte da hinpasst, genau da und genau so. Stehen vor der Amtstube, er winkt uns rein, sieht unsere entgeisterten Gesichter und hebt gleich die Hände, das hätte er so nicht gemeint, seine Kollegen meinen jetzt auch, dass es Paragraph 34 schon entspricht und sein Chef meint, dass wenn sie verklagt werden, sie schon damit selbst leben müssten, weil unser Entwurf ja doch eindeutig gesetzeskonform ist. Aha, daher weht der Wind: da hat jemand Panik, dass wir ihm die Aussicht verbauen und hat mit Klage gedroht und die haben Muffensausen bekommen. Trotzem bekommen wir die Genehmigung und die Ausschreibung findet jetzt im Sommer statt. Der Wirtschaft gehts schon wieder besser und die Auftragslage ist so gut, dass wir kaum Firmen finden, ich dachte im Osten ist man zu 15% arbeitslos ? Nix da, teuer wirds. Egal, ist ja nun schon alles angeleiert, Augen zu und durch.

Tja, und dann fallen die Bäume, altes Asbest (was mir meine lieben neuen Nachbarn übern Zaun aufs Gehöft gekippt haben) wird entsorgt und das Streifenfundament ausgehoben und gegossen, hups, dass ging auf einmal ganz schnell. Deshalb schnell noch ne Keksdose mit Geld, Bildern und ner Zeitung ausgekleidet und im Beton versenkt, Grundsteinlegung nennt man das und damit einem nicht langweilig wird, kann man sich ja mal an Traditionen halten. Die ersten Hohlraumtonsteine werden geliefert in Reih und Glief aufeinandergewuchtet und schon sieht es nach Lehmhütte aus. Betondecke drauf und fertig, dumm nur, dass es nicht passt, hier steht die Decke über, dort ist die Wand schief, die Treppenauflage ist weg, egal, muss man halt mit einer Stehleiter in den ersten Stock. War bestimmt auch so nicht auf den Zeichnungen, dass haben wir, der Architekt, der Statiker und das Bauamt bestimmt übersehen. Also 2 Dutzend Steine wieder weggehauen, Hausbau ist ein dynamischer Prozess. Mir egal, ich bin Informatiker, dass gibt es nur 0 und 1, Gut und Böse, an oder aus. Prozesse gibt es nur wenn 0 und 1 richtig zusammengefügt sind und ein Programm ergeben und nicht umgedreht. Der Weg ist also das Ziel beim Hausbau, wie die Buddisten glauben, dass nutzt mir in einem Dorf völler Ungläubiger aber wenig.

Apropos Statiker: in Brandenburg ist es Gesetz, dass ein allgemein anerkannter Prüfstatiker von gesetzmässig die Statik prüft, die mein Architekt ausgearbeitet und mein in Berlin ansässiger allgemein anerkannter Prüfstatiker ausgearbeitet und geprüft hat. Muss aber von Amts wegen einer aus Brandenburg sein, der nimmt nicht nur die 360 Seiten Prüfstatik locker mit ins brandenburgische Büro um die Prüfung zu prüfen, sondern kommt sogar aufs Grundstück um "mal so zu gucken" und nimmt dann dann auch ganz locker mal einen Tausender mit nach Hause. So kann man auch Arbeitlosigkeit per Gesetz verhindern, danke.

Weiter mit den Steinen, die sind hohl und geben ein gutes Klima, wobei ich mir so denke, wenn ich frische Luft will, mach ich das Fenster auf oder stelze auf die Terasse oder leg mich flach in den Garten. Dem modernen Hongkong-Chinesen ist es ziemlich egal, dass dort alles in 100ten von Stockwerken per Beton hochgezogen wird, davon lebt er auch nicht schlechter und vermehrt sich prächtig. Aber gut, ökonativer Ansatz und Bauhaus zusammen, dass ist die moderne Verquickung von Althergebrachtem, so ist die Zeit nunmal. Dumm nur, wenn es mittlerweile Herbst ist, dem Wettergott ist es egal, dass ich ein Haus baue und lässt es regnen und dem Bauarbeiter ist es auch egal, dass er ein Haus baut. Und nachdem wir schon dreimal Wasser im Haus und allen 74mal eingeschärft hatten, Unfertiges abzudecken, reisst er am 23.12. locker die Dachpappe von der Decke, naja, am 24zigsten ist Weihnachten und da hat es schliesslich traditionell zu schneien und nicht 3 Tage zu regnen. Die Abdeckung wird weggeweht und dass Wasser läuft in Strömen in die hohlen Steine, aus Zeitgründen wird dann noch schnell verputzt, somit müssen ne Bauheizung und teure Bauentfeuchter her, um die 800 Liter Wasser wieder aus dem Haus zu kriegen, macht natürlich der Bauherr und fährt zweimal am Tag hin und zurück um die Eimer zu leeren (warum baut man an solche Maschinen nicht einfach nen längeren Schlauch an ?). Das macht das Bauen nicht so erfreulich wie geplant und teuer obendrein. Und Weihnachten war auch schonmal entspannter ...

Also schnell mit einem Richtfest ablenken, man muss ja den Nachbarn irgendwann mitteilen, dass man da ist. Die Handwerker sollen ihre gute Laune noch bitte ein paar Wochen behalten und werden mit gutem Waldhaus-Bier, fürchterliche Schnäpsen und fertig angelieferten Stullen und Bouletten zufriedengestellt. Es gibt einen umfangreichen Richtspruch und noch mehr Fusel und etwas später nennt mich der Zimmermann "Franky", als ob ich seit Kindstagen sein bester Kumpel wäre, zum Schluss klopfen alle sich auf die Schulter, als ob es schon vorbei wäre. Weit gefehlt, jetzt kommt es erst ...

Im neuen Jahr wird alles besser, da ist schon Aussen die Hälfte des Putzes dran, die Holzverkleidung und man kann durch Fenster auch schon mal die Nachbarn begutachten, innen wird verputzt, gespachtelt, getrockenbaut und Esstrich gegossen, dass es nur so eine Freude ist. Und dann wirds endlich warm in der Hütte, weil wirklich jemand so schlau war, eine Heizung einzubauen, bevor die Wände mit Farbe bestrichen und Holz und Fliessen auf den Boden gepappt werden, gratuliere, die verstehen ja doch alle ihr Handwerk.

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